„Meditation als Beziehungsübung“ – so lautet der Arbeitstitel meines Buches, das bald erscheinen wird. Darin wird erforscht, wie meditative Praktiken wichtige Beziehungskompetenzen fördern können. Es geht um die Kultivierung einer meditativen Haltung, die uns in die Lage versetzt, lebendige, dialogische Beziehungen zu führen – zu Mitmenschen, der Natur, dem Kosmos und uns selbst. Wenn du mehr darüber erfahren möchtest, wie Meditation das in-Beziehung-Sein verändern kann und zu einem gelingenden Leben beitragen kann, dann sei gespannt auf mein Buch!
Wenn du auf dem Laufenden bleiben möchtest und informiert werden möchtest, sobald das Buch erscheint, schreibe mir einfach eine kurze Mail. Im Anschluss findest du eine ausführlichere Heranführung ans Thema.
Annäherung an das Thema:
Warum meditieren Menschen eigentlich? Weil es gut tut! Weil es stressresistent macht, mit psychischen Problemen und Krisen besser umgehen lässt! Weil es die Neuroplastizität des Gehirns verbessert und zu besseren kognitiven Fähigkeiten führt.
Soweit so klar: In dieser stressigen, anspruchsvollen Welt funktionieren wir besser durch Meditation. Deshalb sollte jeder mal Meditation ausprobieren. Aber warum meditieren Menschen? Ist die Frage damit beantwortet? Jeder ernsthaft Praktizierende kann vermutlich über diese Antworten nur lachen kann. Sie mögen zwar richtig sein, sie mögen auch der Grund sein, warum man selbst zur Meditation gekommen ist, aber sie sind sicher nicht der Grund, warum man über Jahre hinweg weitermacht.
Ein anderer Weg, die Beliebtheit von meditativen Praktiken zu erklären, geht aus den vielen religiösen und spirituellen Traditionen hervor. Je nach Kontext wird Meditation als Weg zum Erwachen gesehen; vielleicht auch als natürliche Seinsweise; als Übung, das dem Zweck der spirituellen Reifung dient usw. Ich maße mir nicht an, diese interessanten Deutungen zu beurteilen oder miteinander zu messen. Nur merke ich an, dass diese Beschreibungen immer mehr oder weniger an ihrer jeweiligen Tradition kleben bleiben. Und als Außenstehender muss ich im Grunde den ganzen Kontext mitdenken oder gar an ihn „glauben“, damit die Beschreibung Sinn ergibt.
Aus einer philosophischen oder auch spirituellen Perspektive ist es sicherlich höchst lohnenswert sich mit einer (oder mehrerer) dieser Traditionen vertraut zu machen.
Was uns jedoch fehlt, ist eine Antwort, die sich ideologisch weder an die spezifischen Lehren (meist aus Fernost) bindet, noch blind der herrschenden, westlichen Dogmatik von Objektivismus, Rationalismus und Funktionalismus folgt. Nur ein Narr würde an dieser Stelle weltanschauliche Neutralität verlangen und doch erscheint es sinnvoll, sich an diesem Ideal zu orientieren. Und es wäre vermessen, anzunehmen, dass die gesuchte Antwort besser als die bisher Gegebenen ist – sie ist nur anders und versucht einen bisher blinden Fleck aufzudecken und zu beschreiben.
Was wir suchen, ist eine Antwort, die den kleinsten gemeinsamen Nenner (aller!) meditativer Praktiken herausarbeitet. Eine Antwort, die nicht auf diesem oder jenem Weltbild fusst. Eine Antwort, die im besten Fall von Buddhisten, Philosophen, Naturwissenschaftlern und Laien gleichermaßen angenommen und überprüft werden kann. Eine Antwort, die trotzdem nicht oberflächlich ist und simple Glückskekssprüche in Ratgebermanier aneinanderreiht.
Tatsächlich ist eine Wissenschaftsdisziplin bekannt, die uns helfen kann, die nötige Perspektive zu finden: die Phänomenologie. Sie ist in ihrem Wesen der Meditation als Innenschau, als innerer Erforschung so nah, dass sie die Expertin auf dem Gebiet der Meditationsforschung sein sollte (und es trotzdem noch nicht ist). Die Phänomenologie schaut auf die subjektive, innere Perspektive. Es geht ihr im Kern darum, zu erforschen, wie uns die Dinge (im Rahmen unseres Geistes) erscheinen. Keine Lehre davon, wie die Welt und der Mensch ist; und auch kein objektivierender, äußerlicher Blick auf das Mensch-Sein; nur das unmittelbare Erfahren spielt eine Rolle:
Wie ist der Mensch in der Welt? (Wie) Empfindet er sein Dasein? Wie fühlt sich das Dasein jetzt gerade an? Wie fühlt es sich im Vergleich zu gestern an? Wie fühlt sich Entspannung an? Welche subjektiven Regungen lassen sich beim Hören von Musik spüren? Bei liebevollen Berührungen? Bei Angst oder Scham?
Die Phänomenologie hatte aber ein Problem, das sie für die Meditationsforschung unbrauchbar machte: Die Trennung in ein Subjekt (Mensch), das sich einer objektiven Welt gegenübersah, wurde zu Grunde gelegt und nicht besonders hinterfragt oder untersucht. Mittlerweile hat sich aber die Ansicht breit gemacht, dass eigentlich alles aus (bzw. in) Beziehungen besteht. So wird die Verbindung von Subjekt und Objekt nicht einfach vorausgesetzt, sondern selbst zum Interesse: Wie ist der Mensch in Beziehung? Wie ist der Mensch in Beziehung zu anderen Wesen? Wie fühlt sich die Beziehung zur Welt an? Wird eine Beziehung zum Kosmos, zum Göttlichen, zur Einheit erfahren? Wie geht der Mensch in Beziehung zu Dingen und Wesen in seiner Welt? Wie entsteht die Dualität von Mensch und Welt? Und die hier vielleicht wichtigste Frage: Wie ist der Mensch in Beziehung mit sich selbst?
Nun sind viele Fragen gestellt, doch warum interessiert das alles überhaupt? Was ist der Hintergrund, die Motivation für diese Fragen. Der neugierige Forschergeist kann zwar schon Selbstzweck sein, doch möchte ich sie in den Kontext der philosophischen Grundfrage schlechthin stellen: Was ist das gute Leben? Wie geht ‚Leben‘ eigentlich? Welches Leben ist erstrebenswert? Wie kann ich mein Leben gut und gelingend gestalten?
Oder unter Berücksichtigung der vorangegangenen Bemerkungen: Wie lässt sich das in-Beziehung-Sein beschreiben, das einem gelingenden Leben zuträglich ist? Wie lässt sich solches in-Beziehung-Sein üben und kultivieren? Und natürlich: Welchen Beitrag können meditative Praktiken dabei leisten?
Die Frage nach dem guten Leben wird heutzutage aus (relativ) guten Gründen nicht mehr gestellt, denn sie ist – das hat die abendlädische Geschichte deutlich gezeigt – ein großes Einfallstor für Ideologie und Selbsttäuschung. Ein Grundsatz der postmodernen Wissenschaft war daher, dass sich solche Fragen, nicht absolut oder objektiv beantworten lassen und wir uns damit begnügen müssen, zu fragen, wie es kommt, dass bestimmte Bilder des guten Lebens kulturell zirkulieren. Dem ist auch nicht grundsätzlich zu widersprechen, nur darf dies nicht das Ende der Bemühungen sein. Wir sollten uns vielmehr auf die Suche nach einer ganzheitlichen Perspektive machen, die verschiedene Perspektiven auf das gute Leben einfängt. Dabei kommen sicher keine konkreten Vorschläge raus wie ‚Gehorche Gott und der Bibel‘ oder ‚Sei ökonomisch oder sozial erfolgreich‘ oder ‚Erwecke deine Kundalinikraft und lass sie aufsteigen‘.
Doch wie lässt sich das gute Leben findet? Wenn wir alle kulturelle Prägung und individuelle Vorlieben wegdenken würden, bliebe immer noch das unmittelbare Erleben. Und so folge ich auch bei der Suche nach dem guten Leben der Phänomenologie. Was wäre nun das umfassendste, abstrakteste und allgemeingültigste, was sich antworten ließe auf die Frage, wie sich das gute Leben anspürt? Es ist das lebendige Leben! Es ist das Spüren des Lebens selbst.
Das mag nun zunächst etwas doof und banal rüberkommen, doch das ist es ganz und gar nicht. Als Annäherung schauen wir auf ein Phänomen, das ganz offensichtlich das Gegenteil vom guten Leben kennzeichnet: Depressivität. Hier ist eine Kernaussage von Betroffenen nicht selten, dass sie sich innerlich tot fühlen. Das gute Leben findet wir entsprechend genau dort, wo der Mensch das Leben spürt.
Was es dafür für äußere und innere Bedingungen braucht, ist natürlich sehr verschieden. Doch es lässt sich noch mehr sagen: Wenn wir phänomenologisch eigentlich nur Beziehungen sehen, dann lautet die nächste tautologisch klingende Formulierung: ein dem guten Leben zuträgliches In-Beziehung-Sein ist genau das – es ist in Beziehung; es ist bezogen (auf die Welt, das Gegenüber, sich selbst…).
An dieser Stelle haben nun schon viele kluge Menschen beschrieben, welche Formen des In-Beziehung-Seins es gibt und woran man es erkennen kann (Martin Buber, Hartmut Rosa oder Erich Fromm). Ganz grundsätzlich können wir unterscheiden:
1. Man kann gar nicht in Beziehung sein – was einerseits nötig ist, weil man nicht mit allem gleichermaßen verbunden sein kann, was aber pathologisch werden kann, wenn man es übertreibt (siehe Depressivität).
2. Man kann instrumentell-monologisch verbunden sein: Hier wird das Gegenüber für die eigenen Zwecke benutzt und nur die eigene Stimme zählt (wie mit einem Werkzeug).
3. Man kann resonant-dialogisch verbunden sein: Dies ist dann die eigentliche Beziehung, die für das gute Leben nötig ist (im besten Falle wie es von Beziehungen mit Partner oder Familie bekannt ist).
Wir können uns gängigen Sozialdiagnosen anschließen und feststellen, dass wir uns heute zu viel im instrumentellen Modus beziehen und zu wenig im dialogischen Modus in Beziehung sind. Das gelingende Leben lässt sich also fördern, wenn wir mehr Raum für resonante Beziehungen in unserem Leben schaffen. Und nun ist die spannende Frage: Sind meditative Praktiken dafür geeignet? Kann die Meditation, die auf den ersten Blick ja nicht unbedingt als eine dialogische Praxis erscheint, doch genau solche dialogischen Beziehungen fördern? Wenn ja, wie genau geschieht das? Das herauszufinden und darzustellen, wird Aufgabe dieses Buches sein.